Kultur

Die Marketenderin im Wandel der Zeit


von Beate Niederstätter

lagerlebenDie Fürsten des Mittelalters und der frühen Neuzeit waren auf die Söldnerheere angewiesen, um ihren Machtbereich – sei es angreifend oder verteidigend – zu sichern. Diese Heere waren oft monatelang unterwegs – quer durch Europa.
Einem Söldnerheer folgte unweigerlich der Tross: Verantwortliche für den Nachschub, Köche, Diener, die Knechte höher gestellter Söldner, Ehefrauen und Kinder.
Der Tross war – militärisch gesehen – unverzichtbar, aber wegen seiner Größe auch schwer zu kontrollieren.

Marketenderin-kleinUnd so folgten ihm auch dubiose Geschäftemacher, sozial entwurzelte Außenseiter und . . .

. . . die Marketenderinnen – oft auch Ehefrauen der Söldner.

Sie waren Händlerinnen, kümmerten sich um die Dinge des täglichen Lebens, sie kochten, flickten und versorgten die Kranken und Verwundeten – viele von ihnen waren heil- und kräuterkundig.

Es war also vor allem die „brave“ Marketenderin, die das Lagerleben prägte.

Dass auch abenteuerlustige Frauen auf ihre Kosten kommen und mit der ältesten Methode, die es seit Bestehen der Menschheit gibt, ihr Geld verdienen wollten, kann und soll nicht ausgeschlossen werden.
Aber besonders erwünscht waren sie nicht: Das belegt ein Reglement der k.k. österreichischen Infanterie von 1769, in dem es heißt, dass „das lüderliche Weibsgesindel“ in den Marketenderzelten keine Unterkunft finden sollte.

quadro-di-a-pock-del-1896-che-raffigura-il-4c2ba-reggimento-di-fanteria-22ordine-dei-cavalieri-teutonici22Als im 19. Jh. das stehende Heer als Machtstütze des Herrschers geschaffen wurde, mussten die Soldaten auch in Friedenszeiten untergebracht werden – die Kasernen entstanden.

Es gab strenge Reglements, die Disziplin wurde verschärft, und damit verschwand die Marketenderin aus dem Heerwesen.

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Die Marketenderin in Tirol


Schon im 13. Jh., als das spätere Tirol noch das Land „an der Etsch und im Gebirge“ hieß, war es für seine Bewohner eine Selbstverständlichkeit, sich eigenverantwortlich um ihre Sicherheit zu kümmern. Jeder war zur Verteidigung verpflichtet, und zwar „gegen Feuer- und Wassernot und gegen Feindschrei“.

negrrelliIm Landlibell von 1511 wurde Altes und Langerprobtes ausdrücklich formuliert und neu festgeschrieben:
Vom Zwang, außerhalb des eigenen Landes für die Belange des Kaisers kämpfen zu müssen, waren die Tiroler befreit. Marketenderinnen als Bestandteil der Armee hat es in Tirol nie gegeben, schon weil es eine Armee im eigentlichen Sinn gar nicht gab, dafür aber das Volksaufgebot zur Verteidigung der Heimat.

Aber das Wissen um die Pflicht der Verteidigung von Recht und Freiheit des Landes existierte nicht nur in den Köpfen der Männer, auch die Frauen waren auf dem Schlachtfeld zu finden, sei es weil sich das Kampfgeschehen in nächster Nähe ihres Dorfes abspielte, sie ihren Männern, Vätern und Söhnen nahe sein oder auch aktiv in das Geschehen eingreifen wollten.

Ich denke dabei an Katharina Lanz, Giuseppina Negrelli oder an die drei Sterzinger Mädchen, die todesmutig die Heuwagen in die Nähe der bayrischen Kanoniere zogen, und so den Männern Deckung verschafften.

In Tirol wurden Marketenderinnen erst zur Zeit des Aufschwunges der Trachtenschützen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Kompanien aufgenommen, als die großen Parademärsche zu Ehren des Kaisers und anderer hochgestellter Persönlichkeiten stattfanden. Es ist gut vorstellbar, dass das nur zögernd angefangen hat: Ein fortschrittlicher Hauptmann hat es irgendwo gesehen, und er ließ Mädchen mitmarschieren.

Zuerst war man vielleicht reihum entsetzt – wie bei allem, was neu ist, aber dann setzte sich wohl die Erkenntnis durch, dass Marketenderinnen – ob mit Schnapspanzele oder Blumenhorn – in ihrer schönen Tracht auf jeden Fall einen Gewinn für die Kompanie darstellen.

Die Schützenmarketenderin in Südtirol


Die Schützen und Marketenderinnen mussten sich eigentlich seit der Gründung des Schützenbundes 1958 immer wehren und oft auch gegen die eigenen Leute, wenn man bedenkt, dass es noch nicht lange her ist, dass die Südtiroler Mehrheitspartei (SVP) vorgeschrieben hat, wer Landeskommandant oder Bundesgeschäftsführer zu sein hat.

Marketendrinnen Siegesdenkmal KundgebungDer Bund musste sein Dasein rechtfertigen, in den Dörfern und erst recht in den Städten war es nicht attraktiv oder ein „Statussymbol“, bei den Schützen zu sein. Auch die Macht des italienischen Staates haben sie immer wieder zu spüren bekommen.

So gesehen ist es verständlich, dass das an den Frauen und Töchtern der Schützen nicht einfach so vorbei gegangen ist. Sie haben mitgekämpft, mitgetragen, mitgelitten.

Vielleicht ist das die Erklärung dafür, dass sie sich schon früh durchgesetzt haben, durch aktives Wahlrecht etwa, oder Vertretungsanspruch in Bund und Bezirken, aktive Mitgliedschaft auch nach der Heirat.
Wenn die frühere Freundin und nunmehrige Ehefrau eines Schützen mitmarschiert, ein paar Jahre später die Mutter des Jungschützen, der Jungmarketenderin – auch das ist ein Gewinn für die Gemeinschaft Schützenkompanie.
Dass sie in der Kommandantschaft einer Schützenkompanie Verpflichtungen übernehmen, wurde zur Selbstverständlichkeit. Aus der Jugendarbeit sind sie nicht mehr wegzudenken.

Das Selbstverständnis heute:


Dazu kann man keine Standardaussage machen.
Jedes Mädchen, jede junge Frau, die den Wunsch hat, Marketenderin zu werden, hat ihre persönliche Geschichte, ihr Bild von der sie umgebenden Gesellschaft u. dem entsprechend Ziel- und Wunschvorstellungen: sei es, weil ihr die Gemeinschaft gefällt, sei es weil sie die Überzeugung und Bereitschaft mitbringt, für Heimat und Kultur etwas beizutragen.

ilona_gudrunBei nicht wenigen ist das politische Denken sehr ausgeprägt, und sie haben keine Scheu, sich zu Wort zu melden und sich aktiv für die Belange des Schützenwesens einzusetzen.

Ob eine Marketenderin sich einbringen kann oder will, hängt nicht zuletzt auch von der Erwartungshaltung der restlichen Schützenkompanie und des Schützenbundes ab.

Vereinzelt begegnet man noch Schützen, Offizieren und manchmal selbst Marketenderinnen, die den Marketenderinnen nicht mehr zutrauen, als möglichst hübsch – “die Zierde der Kompanie” – zu sein und mit ihrem Charme möglichst viel Schnaps zu verkaufen.
Dementsprechend “häuslich” werden dann ihre Aufgaben verstanden, aber die Frauen und Mädchen im Südtiroler Schützenbund können mehr als nur Zöpfe flechten, Trachten vorführen und Kochbücher gestalten.

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