Blickwinkel

„Die Zukunft beginnt im Jetzt“

Interview mit Dietmar Weithaler (34), Mitglied der SK Partschins


BG online: Was bedeutet für dich „Heimat“?

Dietmar Weithaler: Heimat ist überall dort wo ich mich als Person verwurzelt fühle. Es ist die Gesamtheit von Familie, Freunden, Beruf und Dorfleben. Heimat ist das Band welches alles zusammenhält und schließt alle erlebten Gefühlsschichten mit ein.

BG online: Wie würdest du uns Südtiroler beschreiben?

Störrisch, eigensinnig, zäh und bestenfalls gutmütig. So, oder so ähnlich könnte die Umschreibung für die Art von uns Südtirolern ausfallen. So, oder so ähnlich schließt der Vergleich vom Südtiroler und der Tierwelt, eine Art dabei mit ein – den Esel. Denn laut einer Redewendung schreit der schwerbeladene Esel erst dann, wenn er unter seiner Last zusammengebrochen ist. Ähnlich eben dem Südtiroler.

BG online: Wo siehst du  Südtirol in 10 Jahren?

Die beste Möglichkeit zu sagen wie es in der Zukunft aussieht, ist sie selbst zu gestalten. Zukunft beginnt im Jetzt. Jeder Schritt von A wie Autonomie bis Z wie Zeitpunkt der Selbstbestimmung ist einmal anzugehen. Je früher wir selbst damit beginnen, desto eher erreichen wir das Ziel des Weges.

BG online: Andere Völker und Regionen scheinen uns da bereits voraus zu sein, wie beurteilst du diese Unabhängigkeitsbestrebungen in Europa?

Im vergangenen Jahr konnte ich mir persönlich in Flandern, Venetien und Katalonien ein Bild davon machen. Bemerkenswert war mit welcher Leidenschaft jung wie alt, quer durch alle gesellschaftlichen Schichten dieses Verlangen nach Freiheit anstreben. Von bestimmten Seiten steht das Sezessionsanliegen immer im Zusammenhang mit Extremismus und Gewalt. Meine gesammelten Eindrücke zeugen vom Gegenteil. Alle demokratischen Kräfte gehen geeint und gestärkt aus der Zusammenarbeit in Sachen der Selbstbestimmung hervor.

BG online: Warum scheint das uns Südtirolern nicht so schnell  zu gelingen?

Bei vielen Süd-Tirolern brennt das Feuer für die Freiheit wohl eher als Sparflamme. Gerade beim Thema Selbstbestimmung herrscht eine zu große persönliche Unsicherheit. Viele glauben die Antworten im zweiten oder dritten Schritt zu kennen, ohne jemals sich Gedanken über den ersten Schritt gemacht zu haben. Man kann und soll verschiedene Modelle für das danach zur Auswahl haben. Die Frage zur Selbstbestimmung selbst ist einfach mit Ja oder Nein beantwortet.

BG online: Bist du mit der derzeitigen politischen Situation in Europa zufrieden?

Nein, denn die derzeitige EU-Politik setzt leider einen neuen Maßstab in Sachen Zentralismus. Unabhängigkeitsbefürworter werden allzu gerne als Ewiggestrige abgestempelt, die neue Grenzen schaffen wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade am Fall Schottland und Katalonien stellen Befürworter eines gemeinsamen Europas die überwältigende Mehrheit. Dass so viel über Selbstbestimmung gesprochen wird, haben wir einigen wenigen Männern und Frauen zu verdanken. Ihr oft über Jahrzehnte hindurch unermüdlicher Einsatz hat das Thema erst salonfähig gemacht. In Süd-Tirol ist es die Mehrheitspartei welche einen anachronistischen Zeitgeist an den Tag legt. Ein weiterer bemerkenswerter Unterschied zu den politischen Gegebenheiten in Katalonien und Schottland.

Dietmar Weithaler ist Verkäufer in einem Landwirtschaft- und Gartenmarkt und ist vielen ehrenamtlichen Vereinen aktiv. Seit Kurzem ist er Bezirkssprecher der "Südtiroler Freiheit".
Dietmar Weithaler ist Verkäufer in einem Landwirtschaft- und Gartenmarkt und ist vielen ehrenamtlichen Vereinen aktiv. Seit Kurzem ist er Bezirkssprecher der „Südtiroler Freiheit“.

BG online: Dietmar, wenn du ein Politiker wärst, was würdest du ändern?

Unsere Gesellschaft ist ein hochkomplex vernetztes, sich selbstregulierendes System. Als Politiker sollte es die Aufgabe sein bewusst und eigenverantwortlich zu denken und zu handeln. Politik setzt im Einzelnen die Fähigkeit voraus Entscheidungen zu treffen. Politiker sollten ihre Aufgabe aus Berufung tätigen können, ohne daraus einen Brotberuf zu machen.

BG online: Als was fühlst du dich, Südtiroler, Tiroler, Italiener…?

Vor einigen Jahren hielt ich mich für einen Kurzurlaub in Hamburg auf. Es ergab sich die Gelegenheit eine Person aus Niederösterreich kennen zu lernen. Im Gespräch stellte man mir die Frage wo ich den herkomme. Spontan beantwortete ich dies mit Süd-Tirol. Die Reaktion meines Gegenüber lautete: “Schämst du dich Tiroler zu sagen?“. Dieser Satz gab mir zu denken. Hat uns die Zugehörigkeit zum Fremdstaat bereits soweit beeinflusst, als dass wir uns mit der Himmelsrichtung Süd von Tirol trennen müssen? Liegt bei unserer Aussprache die Gewichtung auf Süd oder auf Tirol? Spätestens seit dem Erlebnis gibt es für mich auf die Frage nur eine richtige Antwort; „I bin a Tirouler.“

BG online: Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

 

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